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Freitag, 16. Juni 2017

Erst Zweifel. Dann Bauchgefühl. Dann Vertrauen zurück.


Foto: Ralf Voigt


Manchmal sehen wir einfach nicht, wie es weitergeht.

Wir denken, dass wir alles getan haben.

Wir sind auch schon erschöpft, weil wir schon so lange „alles getan haben“.
Und dann zweifeln wir.

Wir zweifeln an uns: Was habe ich übersehen? Was habe ich falsch gemacht? Kann ich denn gar nichts richtig machen?

Manchmal denken wir dann: Warum hilft mir keiner?

Manchmal denken wir auch: Nein, ich will das allein schaffen!

Es sind diese tiefen Sackgassen-Gefühle, die uns an uns und der Welt zweifeln lassen.

Manche Trainer berichten, dass Menschen oft bei „98 %“ aufgeben. Es hätte also nur noch ein kleiner Schritt gefehlt – und diese Menschen hätten ihr Ziel erreicht.

Manche Menschen haben einen sehr langen Atem – manche Menschen können gerade in Krisensituationen ein besonderes Vertrauen entwickeln – manche Menschen haben ein besonderes Bauchgefühl.

So wie dieser junge Mann, der mich in der Strassenbahn in Dresden ansprach. Es war kurz nach der Wende und ich war Dozentin der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW). Ich erkannte ihn sofort: Er war einer meiner Studies aus der Klasse, die ich für einen kranken Kollegen für eine Woche übernommen hatte. Wir sprachen so ein bisschen über das Wetter und was man jetzt im Frühling schon alles wieder machen kann. Aber dann brach es aus ihm heraus: „Sie haben mir das Leben gerettet.“

Sie müssen mich verwechseln, sagte ich. Ich habe doch gar nichts getan.

Doch. Doch. Sagte er. SIE HABEN MIR MEIN VERTRAUEN ZURÜCK GEGEBEN!

Ich konnte nicht so schnell meine Sprache wiederfinden und spürte nur in mir: Nein, nein. Ich habe doch gar nichts gemacht.

Dann erzählte er mir aus seinem Leben. Wie die Wende „alles in seinem Leben“ ins Wanken gebracht hat. Wie er den Boden unter den Füssen verloren hat. Und dann stand er irgendwann in seiner Wohnung – im 5. Stock und wollte einfach nur noch springen. Doch dann meldete sich „sein Bauch“. Und der sagte: Gib doch dieser Frau aus dem Westen eine Chance – wenn sie es vermasselt, kannst du immer noch springen.

Ja. Ich war zu Tränen gerührt. Dass ich einen solchen Vertrauensvorschuss bekommen hatte. Dass mir eine so schwerwiegende Hilfe zugestanden wurde. Dass ich ihm sein Vertrauen in sich selbst zurückgeben konnte.

Wenn ich mich recht erinnere, dann haben wir uns einfach umarmt.

Lilli Cremer-Altgeld