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Foto: Saskia-Marjanna Schulz
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Heute habe in eine sehr schöne Weihnachtsgeschichte für unser Forum "Hochbegabung - Drama oder Erfolgsstory" gelesen. Da dieses Forum nicht öffentlich ist, bat ich den Autor, André Leyens, diese Geschichte hier veröffentlichen zu dürfen. Er hat ja gesagt. Und so können Sie seine Geschichte jetzt hier lesen:
Wie jedes
Jahr fanden sich die Buchstaben des Alphabets zum großen Familientreffen
zusammen, um den Heiligen Abend und Weihnachten zu feiern.
Dieses
Stelldichein hatte inzwischen Tradition und jeder war natürlich bemüht, sich
für dieses große Fest besonders herauszuputzen. Dieses Mal hatte der Präsident
auf eine schöne Berghütte geladen.
Der
Präsident war "A". "A" hatte sich Anfang des Jahres in
dieses Amt wählen lassen. Er fand es nur angemessen, ja geradezu seiner würdig
, dass er, als erster Buchstaben in der Aufzählung der Reihe der 26, den
Vorsitz hatte.
Viele
hatten "Z" auf dem Posten sehen wollen, weil ihrer Meinung nach mal
frischer Wind in die angestaubte Hierarchie wehen sollte... und was lag da
näher, als dafür den letzten Buchstaben vorzuschlagen. Doch "A" hatte
mit seinem Team, den Eigenlauten, einen harten Wahlkampf geführt und sich
schließlich durchgesetzt.
Seit seinem
Amtsantritt hatte "A" nun arrogant und in jeder seiner Handlungen
Anerkennung suchend, das Regiment mit harter Hand geführt, was natürlich nicht
zu seiner Beliebtheit beigetragen hatte.
Ganz
besonders "I" hatte unter seinen ständigen Beleidigungen und
Schmähungen leiden müssen, weshalb "I" nun auch überhaupt keine Lust
verspürte, dem Familientreffen beizuwohnen. Ganz im Gegenteil , "I"
hätte vieles darum gegeben, besagten Tag sonst wo verbringen zu können.
Es war vor
allem "G", mit seiner Geduld und Gutmütigkeit, "V" mit
vertrauensvollem und schlussendlich "Z" mit gutem Zureden, zu
verdanken, dass "I" nun doch zugesagt hatte.
Doch sein
Unbehagen blieb... Denn viele der Anfeindungen von "A" trafen ihn
sehr: natürlich war er schmächtig und dürr. Er hatte mangels Muskelmaße kaum
Kraft, um irgendwelche schweren Lasten zu tragen, wie zum Beispiel
"D" und ganz besonders "F" mit seinen Fangarmen konnten.
Besonders schmerzte ihn aber, dass er meistens nicht auffiel, als Strich in der
Landschaft der er nun mal war. Da half auch der Punkt nichts, den er manchmal
kess über sein Haupt trug... besonders wenn es nicht so förmlich zuging.
Aber
"I" hatte es nun mal versprochen, und so machte er sich, nicht ohne
von Selbstzweifel geplagt zu sein, auf dem Weg zum Treffpunkt.
Den hatte
"A" auf dem Markplatz festgelegt, in der Mitte eines malerischen
Dorfes in den Schweizer Alpen. Von hier aus wollten Sie den langen und steilen
Anstieg zu der Hütte angehen, wo das diesjährige Treffen stattfinden sollte.
Das war auch der Grund dafür gewesen, dass es schon am frühen Nachmittag
losgehen sollte.
"I"
war nicht der Erste vor Ort. Die dicke "B" hatte sich bereits mit
ihrem genau so fülligen Mann "D" eingefunden. Ihre Kinder
"O" und "Q", auch eher Rubensstaturen, zanken sich wie
gewöhnlich um irgendeine Sache, die sie natürlich unbedingt beide gleichzeitig haben mussten. Obwohl "O" in ihrer
zickigen Art meist keinen Grund brauchen, um mit ihrem Bruder einen Streit vom
Zaun zu brechen...
Etwas
abseits standen der schüchterne "S" im Gespräch mit "M" und
"N", beider für ihre harmonisierenden und verbindenden Fähigkeiten
bekannt. Zu ihnen gesellte sich kurzerhand noch "T", der seinem Namen
mit seinen breiten, kräftigen Schultern alle Ehre machte.
Nach und
nach trudelten sie alle ein; kaum einer von ihnen beachtete "I", der
sich still unter dem Baum zurückgezogen hatte, der in der Mitte des Platzes
hoch in den Himmel ragte. Im Sommer würde er wahrscheinlich angenehmen Schatten
spenden, doch jetzt im Winter stand er nur kahl da, wie ein gespenstiges
Gerippe.
Wie nicht
anders zu erwarten erschien "A" als letzter, gerade noch pünktlich
zur vereinbarten Zeit, sich der Wirkung seines Auftritts gewiss. Er sah aus wie
ein Pfau in seinen bunten Winterklamotten, die natürlich dem neuesten Schrei
entsprachen. Dicht gefolgt wurde er vom eitlen "E", der ihm in seiner
Aufmachung kaum nachstand.
Einem
Außenstehendem wären schnell die Präferenzen der einzelnen Teilnehmer
aufgefallen, denn sofort versammelten sich einige um "A" und hörten
gespannt, ja fast bewundernd seinen lautstarken Ausführungen zu. Andere drehten
sich nur verschämt ab.
Dennoch
herrschte gute Laune in der Gruppe, nicht zuletzt durch die strahlenden Sonne,
die hoch oben vom blauen Himmel schien und den Dorfplatz in warmes Licht
tauchte.
Nach einer
kurzen Einweisung, in der es sich "A" nicht nehmen lies, seine
Vormachtposition herauszustellen, brach die Gruppe in freudiger Erwartung der
bevorstehenden Feier, und mit lockerem Geplauder zum langen Aufstieg auf.
Lediglich "I" schlenderte in kurzem Abstand, still und alleine,
hinter ihnen her.
Nach einer
Weile wurde es allerdings immer stiller, und das Gemurmel wich eher angestrengtem
Ein- und Ausatmen, als der Weg zur Hütte immer steiler anstieg und von den
Teilnehmern immer mehr Kraft und Konzentration forderte. Besonders die dicke
"B" und ihre Familie zahlten nun ihren Preis für ihre Leibesfülle.
Gegen 15.00
Uhr - Sie hatten inzwischen ungefähr den halben Weg hinter sich gebracht -
verschwand die Sonne hinter den Berggipfeln. Es wurde merklich kühler und die
Kälte kroch ihnen trotz der körperlichen Anstrengung langsam in die Glieder.
Vereinzelt konnte man nun auch Beschwerden und Verärgerungen vernehmen, ob der
langen und scheinbar nicht enden wollenden Wanderung. Manche ließen ihrem Unmut
sogar freien Lauf und luden ihren Frust bei "A" ab.
Letzterer
gab sich zwar Mühe zu beschwichtigen, hatte aber selbst zu kämpfen.
Nur "I"
marschierte beschwingt weiter. Pfeifen oder Gesang, nach dem ihm eigentlich zu
Mute war, verkniff er sich allerdings. Wie meistens wollte er nicht aus der
Rolle fallen und schon gar nicht den Groll der anderen auf sich ziehen.
Doch als
sich nach einer weiteren halben Stunde Fußmarsch der Himmel plötzlich zuzog und
das Wetter, wie es in den Bergen häufig passiert, binnen ein paar Minuten
umschwenkte, wurde auch "I" zunehmend nervöser.
Bald fing
es an zu schneien und der Himmel nahm eine bedrohliche dunkelgraue Farbe an.
Ein eisiger Wind blies ihnen die schweren und nassen Flocken ins Gesicht,
tausendfacher kleiner und schmerzhafter Nadelstiche gleich. Es verstrichen kaum
ein paar Minuten, als bereits die ersten in Tränen ausbrachen und ihre Lage
immer prekärer wurde.
Alle
schrien nach "A", er möge doch etwas tun, dafür sorgen, dass sie heil
und wohlbehalten die Hütte erreichten. Doch von "A" war nichts mehr
zu hören; ganz im Gegenteil, er hatte sich selbst zitternd und heulend hinter
einem Felsen am Wegesrand gekauert und starrte apathisch vor sich hin. Als dann
noch die ersten Buchstaben ausrutschen und hinfielen und die dicke
"B" sich schwer verletzte, entglitt die Lage vollends und wich einer
allgemeinen Panik.
Lediglich
"I" behielt einen kühlen Kopf und ergriff die Initiative. Schnell
holte er "M" und "N" herbei, die sich zu einer Trage
verbanden, forderte den kräftigen "T" auf, "B" darauf zu
heben und gab "S" und "Z" die Order, mit ihren wie Kufen
geformten Gliedmaßen, den Weg für einen leichteren Transport freizumachen.
Schnell
schöpften die Buchstaden, angesichts der beherzten Führung von "I",
neuen Mut und scharrten sich um ihn. Sogar diejenigen, die bisher nur die
Gesellschaft von "A" gesucht hatten, wie Motten das Licht, folgten
ihm jetzt bereitwilligt, verhieß "I" ihnen doch die Zuversicht und
die Sicherheit, nach denen sie sich sehnten.
Als er sah,
dass sich die Lage beruhigt hatte, übergab "I" die Führung der Gruppe
an "Z" weiter und beschloss, sich alleine auf dem Weg zur Hütte zu
machen, um von dort Hilfe anzufordern.
Durch seine
drahtige Figur dem Wind kaum Widerstand bietend, kam "I" sehr schnell
voran und erreichte alsbald das Ziel. Schnell war Hilfe organisiert und so kam
es, dass nach einer guten Stunde sich alle an einem warmen Kaminfeuer wärmen
konnte, so als wäre nichts geschehen.
Nichts
geschehen?
In der Tat,
wenn man sie alle da hocken sah, mit rosigen Bäckchen und jetzt auch wieder
fröhlich und lachend, konnte dieser Eindruck entstehen.
Nur für
einen war etwas geschehen, hatte sich etwas verändert...
Denn
"I", den bisher kaum einer beachtet hatte, war nun zu ihrem Held,
ihrem Retter geworden... Alle kamen und klopften ihm auf die Schulter, umarmten
und herzten ihn...
Sie
feierten ausgelassen bis in die frühen
Morgenstunden...
Und die
Moral von der Geschicht´?
Unterschätze
niemals die Fähigkeiten anderer und Deine eigenen, lasse Dich nicht von Zweifel
aufhalten. Akzeptiere Dein Anderssein als eine Besonderheit, eine Gabe, die
irgendwo, irgendwann genau diejenige ist, die gebraucht wird.
ANDERS sein
ist eben nicht FALSCH, sondern nur ANDERS!
In diesem
Sinne, frohe Weihnachten!
André
Leyens
Mein Tag-Nacht-Buch by Lilli Cremer-Altgeld
lillicremeraltgeld@t-online.de